Schwangerschaft

Toxoplasmose und andere Schreckgespenster

5. April 2016

Neulich hörte ich folgende Geschichte: Die schwangere Schwester einer Bekannten sagte ihre Teilnahme an deren Engagement-Party in London ab (dort lebt die Bekannte), weil ihr das Risiko zu hoch sei, sich bzw. das ungeborene Kind mit dem gefährlichen Zika-Virus anzustecken. Huch, dachte ich – ist der jetzt tatsächlich schon nach Europa vorgedrungen? Nein, wurde ich aufgeklärt, allerdings sei der Flughafen Heathrow ja bekanntlich ein großer Umschlagplatz für Fernreisende, unter anderem nach Südamerika, und da müsse man schließlich damit rechnen, dass dort das Virus zu finden sei…

Wie ist das nun mit den bekannten (und zum Teil weniger bekannten) Vorsichtsmaßnahmen während der Schwangerschaft? Beim Essen soll man auf rohes Fleisch und natürlich rohen Fisch verzichten, schlechte Karten also für alle Fans von Roast Beef und Sushi. Außerdem gehört weder Rohmilchkäse noch rohes Ei auf die Speisekarte einer Schwangeren. Zimt, Ingwer und Chinin (beispielsweise in Tonic Water enthalten) gelten als wehenfördernd und sollen deshalb ab der zweiten Schwangerschaftshälfte nur mit Vorsicht genossen werden. Abgepackte Salate, rohes Getreide und ungeschältes Obst und Gemüse könnten Keime enthalten und Innereien sind wohlmöglich genau wie Raubfische mit Schwermetallen belastet. 
Außerdem wird Schwangeren immer wieder geraten, möglichst nicht oder wenig zu fliegen – wegen der Höhenstrahlung aber auch wegen des vermeintlichen Stresses, den es ja um jeden Preis zu vermeiden gilt. Viel frische Luft wiederum ist gut, zu viel Sonne aber nicht. Auch Kosmetik oder Haarfärbemittel stehen immer wieder im Verdacht Schadstoffe zu enthalten und verleiten so manche  Schwangere dazu, vorsichtshalber den gesamten Inhalt ihres Spiegelschranks kurzerhand in die Mülltonne zu kippen. Wärmflaschen führen angeblich zu Überhitzungen, die dem Baby schaden könnten und von Katzen und  deren Klo sollte man sich als Schwangere ohnehin fern halten. Koffein bitte nur in Maßen und schlafen sollte man wenn der Bauch wächst möglichst nur noch auf der linken Seite, um keine Vene abzuklemmen. Schwer heben ist tabu und Sport sollte man nur machen, wenn man das auch vor der Schwangerschaft bereits regelmäßig getan hat.

Ich könnte diese Liste noch ziemlich lange weiter führen, zum Beispiel mit „Volksweisheiten“ zum Thema Schwangerschaft. Weil es einer Schwangeren Unglück bringen soll, einer Beerdigung beizuwohnen blieb eine Bekannte lieber zu Hause, als ihre eigene Oma zu Grabe getragen wurde…
Es gibt unzählige Artikel und Forenbeiträge im Netz, die sich mit den Do’s und Don’ts in der Schwangerschaft beschäftigen und gefühlt kommen täglich neue dazu.

Wie soll man in diesem Dschungel der Empfehlungen den Überblick behalten und vor lauter Angst irgendeine Vorschrift zu übersehen, nicht in Panik verfallen? Natürlich möchte ich mein ungeborenes Kind in jeglicher Hinsicht schützen, ich glaube aber auch, dass zu viele Sorgen und Ängste Stress produzieren, der meinem Kind überhaupt nicht gut tut. Deshalb denke ich, muss auch im Umgang mit all diesen Vorgaben jede Schwangere ihren eigenen Weg finden. Ich persönlich war absolut konsequent und kompromisslos was den Alkohol angeht – einfach weil die Auswirkungen auch von kleinen Mengen Alkohol nicht erforscht sind und ich kein Risiko eingehen wollte. Dafür habe ich mir aber hin und wieder – ich gebe es zu – eine Scheibe Salami oder ein weichgekochtes Ei gegönnt und saß bis in die 35. SSW noch häufig im Flieger. Meinen Fisch habe ich auf einem sauberen Brettchen zubereitet, das danach in die Spülmaschine kam oder abgewaschen wurde, neues Geschirr habe ich mir deshalb aber nicht zugelegt. Und überhaupt habe ich vor allem versucht, einigermaßen gelassen zu bleiben. Schließlich liegen Jahre voller Spielplatz-Schlamm und Windel-Massakern vor mir, wie soll ich die denn überstehen, wenn ich jetzt schon zur Hysterie neige?

You Might Also Like

No Comments

Leave a Reply